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Das Lied von der Glocke • Friedrich Schiller | Interpretation

Das Lied von der Glocke • Friedrich Schiller | Interpretation:


Das Lied von der Glocke • Friedrich Schiller | Interpretation

 

Hier erhältst du einen Überblick über folgendes Meisterwerk: Das Lied von der Glocke • Friedrich Schiller | Interpretation

Autor: Friedrich Schiller, Erstveröffentlichung: 1799, Inhalt: das Glockengießen als Allegorie für das menschliche Leben. 

Zusätzliche Lernmaterialien: 10 Fragen | Übungsblätter | Weitere Balladen

Das Lied von der Glocke 1. – 9. Strophe


1. Strophe:

Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muss die Glocke werden.
Frisch Gesellen, seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rinnen muss der Schweiß,
Soll das Werk den Meister loben,
Doch der Segen kommt von oben.

2. Strophe:

Zum Werke, das wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Reden sie begleiten,
Dann fließt die Arbeit munter fort.
So lasst uns jetzt mit Fleiß betrachten,
Was durch die schwache Kraft entspringt,
Den schlechten Mann muss man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ist’s ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Dass er im innern Herzen spüret,
Was er erschafft mit seiner Hand.

3. Strophe:

Nehmet Holz vom Fichtenstamme,
Doch recht trocken lasst es sein,
Dass die eingepresste Flamme
Schlage zu dem Schwalch hinein.
Kocht des Kupfers Brei,
Schnell das Zinn herbei,
Dass die zähe Glockenspeise
Fließe nach der rechten Weise.

4. Strophe:

Was in des Dammes tiefer Grube
Die Hand mit Feuers Hülfe baut,
Hoch auf des Turmes Glockenstube
Da wird es von uns zeugen laut.
Noch dauern wird’s in späten Tagen
Und rühren vieler Menschen Ohr
Und wird mit dem Betrübten klagen
Und stimmen zu der Andacht Chor.
Was unten tief dem Erdensohne
Das wechselnde Verhängnis bringt,
Das schlägt an die metallne Krone,
Die es erbaulich weiterklingt.

5. Strophe:

Weiße Blasen seh ich springen,
Wohl! Die Massen sind im Fluss.
Lasst’s mit Aschensalz durchdringen,
Das befördert schnell den Guss.
Auch von Schaume rein
Muss die Mischung sein,
Dass vom reinlichen Metalle
Rein und voll die Stimme schalle.

6. Strophe:

Denn mit der Freude Feierklange
Begrüßt sie das geliebte Kind
Auf seines Lebens erstem Gange,
Den es in Schlafes Arm beginnt;
Ihm ruhen noch im Zeitenschoße
Die schwarzen und die heitern Lose,
Der Mutterliebe zarte Sorgen
Bewachen seinen goldnen Morgen. –
Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.
Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
Er stürmt ins Leben wild hinaus,
Durchmisst die Welt am Wanderstabe.
Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus,
Und herrlich, in der Jugend Prangen,
Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,
Mit züchtigen, verschämten Wangen
Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
Da fasst ein namenloses Sehnen
Des Jünglings Herz, er irrt allein,
Aus seinen Augen brechen Tränen,
Er flieht der Brüder wilder Reihn.
Errötend folgt er ihren Spuren
Und ist von ihrem Gruß beglückt,
Das Schönste sucht er auf den Fluren,
Womit er seine Liebe schmückt.
O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
Der ersten Liebe goldne Zeit,
Das Auge sieht den Himmel offen,
Es schwelgt das Herz in Seligkeit.
O! dass sie ewig grünen bliebe,
Die schöne Zeit der jungen Liebe!

7. Strophe:

Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
Dieses Stäbchen tauch ich ein,
Sehn wir’s überglast erscheinen,
Wird’s zum Gusse zeitig sein.
Jetzt, Gesellen, frisch!
Prüft mir das Gemisch,
Ob das Spröde mit dem Weichen
Sich vereint zum guten Zeichen.

8. Strophe:

Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
Lieblich in der Bräute Locken
Spielt der jugfräuliche Kranz,
Wenn die hellen Kirchenglocken
Laden zu des Festes Glanz.
Ach! des Lebens schönste Feier
Endigt auch den Lebensmai,
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
Reißt der schöne Wahn entzwei.
Die Leidenschaft flieht!
Die Liebe muss bleiben,
Die Blume verblüht,
Die Frucht muss treiben.
Der Mann muss hinaus
Ins feindliche Leben,
Muss wirken und streben
Und pflanzen und schaffen,
Erlisten, erraffen,
Muss wetten und wagen,
Das Glück zu erjagen.
Da strömet herbei die unendliche Gabe,
Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
Und drinnen waltet
Die züchtige Hausfrau,
Die Mutter der Kinder,
Und herrschet weise
Im häuslichen Kreise,
Und lehret die Mädchen
Und wehret den Knaben,
Und reget ohn Ende
Die fleißigen Hände,
Und mehrt den Gewinn
Mit ordnendem Sinn.
Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,
Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,
Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,
Und ruhet nimmer.

Und der Vater mit frohem Blick
Von des Hauses weitschauendem Giebel
Überzählet sein blühendes Glück,
Siehet der Pfosten ragende Bäume
Und der Scheunen gefüllte Räume
Und die Speicher, vom Segen gebogen,
Und des Kornes bewegte Wogen,
Rühmt sich mit stolzem Mund:
Fest, wie der Erde Grund,
Gegen des Unglücks Macht
Steht mit des Hauses Pracht!
Doch mit des Geschickes Mächten
Ist kein ew’ger Bund zu flechten,
Und das Unglück schreitet schnell.

9. Strophe:

Wohl! nun kann der Guss beginnen,
Schön gezacket ist der Bruch.
Doch bevor wir’s lassen rinnen,
Betet einen frommen Spruch!
Stoßt den Zapfen aus!
Gott bewahr das Haus!
Rauchend in des Henkels Bogen
Schießt’s mit feuerbraunen Wogen.

Das Lied von der Glocke 10. – 19. Strophe


10. Strophe:

Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
Und was er bildet, was er schafft,
Das dankt er dieser Himmelskraft,
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
Einhertritt auf der eignen Spur
Die freie Tochter der Natur.
Wehe, wenn sie losgelassen
Wachsend ohne Widerstand
Durch die volkbelebten Gassen
Wälzt den ungeheuren Brand!
Denn die Elemente hassen
Das Gebild der Menschenhand.
Aus der Wolke
Quillt der Segen,
Strömt der Regen,
Aus der Wolke, ohne Wahl,
Zuckt der Strahl!
Hört ihr’s wimmern hoch vom Turm?
Das ist Sturm!
Rot wie Blut
Ist der Himmel,
Das ist nicht des Tages Glut!
Welch Getümmel
Straßen auf!
Dampf wallt auf!
Flackernd steigt die Feuersäule,
Durch der Straße lange Zeile
Wächst es fort mit Windeseile,
Kochend wie aus Ofens Rachen
Glühn die Lüfte, Balken krachen,
Pfosten stürzen, Fenster klirren,
Kinder jammern, Mütter irren,
Tiere wimmern
Unter Trümmern,
Alles rennet, rettet, flüchtet,
Taghell ist die Nacht gelichtet,
Durch der Hände lange Kette
Um die Wette
Fliegt der Eimer, hoch im Bogen
Sprützen Quellen, Wasserwogen.
Heulend kommt der Sturm geflogen,
Der die Flamme brausend sucht.
Prasselnd in die dürre Frucht
Fällt sie in des Speichers Räume,
In der Sparren dürre Bäume,
Und als wollte sie im Wehen
Mit sich fort der Erde Wucht
Reißen, in gewaltger Flucht,
Wächst sie in des Himmels Höhen
Riesengroß!
Hoffnungslos
Weicht der Mensch der Götterstärke,
Müßig sieht er seine Werke
Und bewundernd untergehn.
Leergebrannt
Ist die Stätte,
Wilder Stürme rauhes Bette,
In den öden Fensterhöhlen
Wohnt das Grauen,
Und des Himmels Wolken schauen
Hoch hinein.
Einen Blick
Nach dem Grabe
Seiner Habe
Sendet noch der Mensch zurück –
Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.
Was Feuers Wuth ihm auch geraubt,
Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
Er zählt die Häupter seiner Lieben
Und sieh! ihm fehlt kein theures Haupt.

11. Strophe:

In die Erd’ ist’s aufgenommen,
Glücklich ist die Form gefüllt,
Wird’s auch schön zu Tage kommen,
Daß es Fleiß und Kunst vergilt?
Wenn der Guß mißlang?
Wenn die Form zersprang?
Ach! vielleicht indem wir hoffen
Hat uns Unheil schon getroffen.

12. Strophe:

Dem dunkeln Schoß der heil’gen Erde
Vertrauen wir der Hände That,
Vertraut der Sämann seine SaatUnd hofft, daß sie entkeimen werde
Zum Segen, nach des Himmels Rath.
Noch köstlicheren Samen bergen
Wir traurend in der Erde Schoß,
Und hoffen, daß er aus den Särgen
Erblühen soll zu schönerm Loos.
Von dem Dome
Schwer und bang
Tönt die Glocke
Grabgesang.
Ernst begleiten ihre Trauerschläge
Einen Wandrer auf dem letzten Wege.
Ach! die Gattin ist’s, die theure,
Ach! es ist die treue Mutter,
Die der schwarze Fürst der Schatten
Wegführt aus dem Arm des Gatten,
Aus der zarten Kinder Schaar,
Die sie blühend ihm gebahr,
Die sie an der treuen Brust
Wachsen sah mit Mutterlust –
Ach! des Hauses zarte Bande
Sind gelöst auf immerdar,
Denn sie wohnt im Schattenlande,
Die des Hauses Mutter war,
Denn es fehlt ihr treues Walten,
Ihre Sorge wacht nicht mehr,
An verwaister Stätte schalten
Wird die Fremde, liebeleer.

13. Strophe:

Bis die Glocke sich verkühlet
Laßt die strenge Arbeit ruhn,
Wie im Laub der Vogel spielet
Mag sich jeder gütlich thun.
Winkt der Sterne Licht,
Ledig aller Pflicht
Hört der Pursch die Vesper schlagen,
Meister muß sich immer plagen.

14. Strophe:

Munter fördert
Seine Schritte
Fern im wilden Forst der Wandrer
Nach der lieben Heimathhütte.
Blöckend ziehen
Heim die Schaafe,
Und der Rinder
Breitgestirnte
Glatte Schaaren kommen brüllend,
Die gewohnten Ställe füllend.
Schwer herein
Schwankt der Wagen,
Kornbeladen,
Bunt von Farben
Auf den Garben
Liegt der Kranz,
Und das junge
Volk der Schnitter
Fliegt zum Tanz.
Markt und Straße
Werden stiller,
Um des Lichts gesell’ge Flamme
Sammeln sich die Hausbewohner,
Und das Stadtthor
Schließt sich knarrend.
Schwarz bedecket
Sich die Erde,
Doch den sichern Bürger schrecket
Nicht die Nacht,
Die den Bösen gräßlich wecket,
Denn das Auge des Gesetzes wacht.
Heil’ge Ordnung, segenreiche
Himmelstochter, die das Gleiche
Frey und leicht und freudig bindet,
Die der Städte Bau gegründet,
Die herein von den Gefilden
Rief den ungesell’gen Wilden,
Eintrat in der Menschen Hütten,
Sie gewöhnt zu sanften Sitten
Und das theuerste der Bande
Wob, den Trieb zum Vaterlande!
Tausend fleißge Hände regen,
Helfen sich in munterm Bund
Und in feurigem Bewegen
Werden alle Kräfte kund.
Meister rührt sich und Geselle
In der Freyheit heil’gem Schutz,
Jeder freut sich seiner Stelle,
Bietet dem Verächter Trutz,
Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis,
Ehrt den König, seine Würde,
Ehret uns der Hände Fleiß.
Holder Friede,
Süße Eintracht,
Weilet, weilet
Freundlich über dieser Stadt!
Möge nie der Tag erscheinen,
Wo des rauhen Krieges Horden
Dieses stille Thal durchtoben,
Wo der Himmel,
Den des Abends sanfte Röthe
Lieblich malt,
Von der Dörfer, von der Städte
Wildem Brande schrecklich strahlt!

15. Strophe:

Nun zerbrecht mir das Gebäude,
Seine Absicht hat’s erfüllt.
Daß sich Herz und Auge weide
An dem wohlgelungnen Bild.
Schwingt den Hammer, schwingt,
Bis der Mantel springt,
Wenn die Glock’ soll auferstehen
Muß die Form in Stücken gehen.

16. Strophe:

Der Meister kann die Form zerbrechen
Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,
Doch wehe, wenn in Flammenbächen
Das glühnde Erz sich selbst befreyt!
Blind wüthend mit des Donners Krachen
Zersprengt es das geborstne Haus,
Und wie aus offnem Höllenrachen
Speyt es Verderben zündend aus;
Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
Da kann sich kein Gebild gestalten,
Wenn sich die Völker selbst befreyn,
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
Weh, wenn sich in dem Schooß der Städte
Der Feuerzunder still gehäuft,
Das Volk, zerreissend seine Kette,
Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
Da zerret an der Glocke Strängen
Der Aufruhr, daß sie heulend schallt,
Und nur geweiht zu Friedensklängen
Die Losung anstimmt zur Gewalt.
Freyheit und Gleichheit! hört man schallen,
Der ruh’ge Bürger greift zur Wehr,
Die Straßen füllen sich, die Hallen,
Und Würgerbanden ziehn umher,
Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz,
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreissen sie des Feindes Herz.
Nichts heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu,
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frey.
Gefährlich ist’s den Leu zu wecken,
Und grimmig ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken
Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Weh denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
Sie leuchtet nicht, sie kann nur zünden
Und äschert Städt’ und Länder ein.

17. Strophe:

Freude hat mir Gott gegeben!
Sehet! wie ein goldner Stern
Aus der Hülse, blank und eben,
Schält sich der metallne Kern.
Von dem Helm zum Kranz
Spielt’s wie Sonnenglanz,
Auch des Wappens nette Schilder
Loben den erfahrnen Bilder.

18. Strophe:
Herein! herein!
Gesellen alle, schließt den Reihen
Daß wir die Glocke taufend weihen,
Concordia soll ihr Name seyn,
Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine
Versammle sie die liebende Gemeine.
Und dies sey fortan ihr Beruf,
Wozu der Meister sie erschuf:
Hoch überm niedern Erdenleben
Soll sie in blauem Himmelszelt
Die Nachbarin des Donners schweben
Und gränzen an die Sternenwelt,
Soll eine Stimme seyn von oben,
Wie der Gestirne helle Schaar,
Die ihren Schöpfer wandelnd loben
Und führen das bekränzte Jahr.
Nur ewigen und ernsten Dingen
Sey ihr metallner Mund geweiht,
Und stündlich mit den schnellen Schwingen
Berühr’ im Fluge sie die Zeit,
Dem Schicksal leihe sie die Zunge,
Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,
Begleite sie mit ihrem Schwunge
Des Lebens wechselvolles Spiel.
Und wie der Klang im Ohr vergehet,
Der mächtig tönend ihr entschallt,
So lehre sie, daß nichts bestehet,
Daß alles Irdische verhallt.
19. Strophe:

Jetzo mit der Kraft des Stranges
Wiegt die Glock’ mir aus der Gruft.
Daß sie in das Reich des Klanges
Steige, in die Himmelsluft.
Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt.
Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sey ihr erst Geläute.

Inhaltsangabe allgemein


Das Gedicht “Das Lied von der Glocke” von Friedrich Schiller beschreibt den Vorgang des Glockengießens (“Arbeiterstrophen”) und sieht dessen Gelingen als Allegorie für das menschliche Leben, genauer einer funktionierenden Gesellschaft (“Betrachtungsstrophen”).

Das Gedicht von Schiller beginnt mit einem Zitat der lateinischen Inschrift der großen Glocke im Münster zu Schaffhausen:

Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango“.

Die Übersetzung bedeutet: „Lebende rufe ich. Tote beklage ich. Blitze zerbreche ich“.

Damit fasst Schiller in wenigen Worten die Funktion einer Kirchenglocke zusammen. 

Glocken galten zu seiner Zeit als “Blitzbrecher” im Sinne eines Blitzschutzes. 

 

Bei den Arbeiterstrophen wird der Vorgang des Glockengießens detailgetreu geschildert.

Angefangen von der gemauerten Glockenform, der Vorgang des Gießens und Abkühlens, bis zum Emporziehen der Glocke.

Bei den Reflexionsstrophen hingegen werden die Lebensstationen eines Menschen beschrieben: Taufe, Kindheit, Jugend, erste Liebe, Gründung einer Familie und Tod:

Ab dem Vers 274 wird ein Gesellschaftsmodell vorgestellt, das nur dann funktionieren kann, wenn eine starke und erfahrene Hand (Allegorie des Glockengießers) sie leitet.

Als Kontrast dazu wird die in Schillers Augen humanitär gescheiterte und nie namentlich explizit erwähnte Französische Revolution angeführt. 

Hier sucht sich das glühende Metall selbst den Weg aus der Glockenform und hinterlässt nur Chaos und Zerstörung.

 

Inhaltsangabe nach Strophen 1 bis 9


1. Strophe: Vorbereitung der Gussform

In der ersten Strophe (Arbeit) erfolgt ein direkter Einstieg in das Glockengießen.

Die Glocke muss heute noch fertig werden, damit der Meister und Gott die Arbeit loben können.

„Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muss die Glocke werden“

 

2. Strophe: Was macht eine gute Arbeit aus

In der zweiten Strophe (Reflexion) legt Schiller Wert darauf, dass eine Arbeit nur gelingen kann, wenn sie aus dem Herzen kommt und sie einem höheren Zweck dient.

 „Dass er im innern Herzen spüret,
Was er erschafft mit seiner Hand“.

 

3. Zubereitung der Glockenspeise

In der dritten Strophe (Arbeit) werden die Metalle Kupfer und Zinn für den Glockenguss und dass dazu benötigte Holz für das Feuer besprochen.

 
„Kocht des Kupfers Brei,
Schnell das Zinn herbei,
Dass die zähe Glockenspeise
Fließe nach der rechten Weise.“

 

4. Zukünftige Aufgabe der Glocke

In der vierten Strophe (Reflexion) wird auf die Erhöhung der Glocke im Glockenturm hingewiesen und deren Verkündung von Leid und Freud.

„Was unten tief dem Erdensohne
Das wechselnde Verhängnis bringt,
Das schlägt an die metallne Krone,
Die es erbaulich weiterklingt.“

 

5. Strophe Metallschmelze

In der fünften Strophe (Arbeit) wird der Metallmischung Aschensalz als Fluss- und Vereinigungsmittel hinzugegeben.

„Auch von Schaume rein
Muss die Mischung sein,
Dass vom reinlichen Metalle
Rein und voll die Stimme schalle.“

 

6. Strophe: Geburt, Kindheit und Jugendzeit im Zeichen der Liebe

In der sechsten Strophe (Reflexion) beschreibt er die Taufe eines Knaben, der nach dem Heranwachsen in die Welt hinausgeht und sich bei seiner Wiederkehr verliebt.

„Das Schönste sucht er auf den Fluren,
Womit er seine Liebe schmückt.
O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
Der ersten Liebe goldne Zeit,“

 

7. Strophe: Letzte Überprüfung

In der siebten Strophe (Arbeit) wird das Metallgemisch vor dem Guss noch einmal überprüft.

„Prüft mir das Gemisch,
Ob das Spröde mit dem Weichen
Sich vereint zum guten Zeichen.“

 

8. Strophe: Hochzeit, Familienleben

In der achten Strophe (Reflexion) beschreibt er im ersten Teil die Hochzeit, die früher oder später mit dem Verlust der Leidenschaft einhergeht.

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“

Im zweiten Teil steht das Streben nach Glück, Kinder und Reichtum im Vordergrund.

„Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.“

Im dritten Teil wird die Endlichkeit des menschlichen Wirkens angesprochen.

„Gegen des Unglücks Macht
Steht mit des Hauses Pracht!
Doch mit des Geschickes Mächten
Ist kein ew’ger Bund zu flechten,
Und das Unglück schreitet schnell.“

 

9. Strophe: Guss der Glocke

In der neunten Strophe (Arbeit) erfolgt der Guss der Glocke:

„Stoßt den Zapfen aus!
Gott bewahr das Haus!
Rauchend in des Henkels Bogen
Schießt’s mit feuerbraunen Wogen.“

Inhaltsangabe nach Strophen 10 bis 19


10. Strophe: Feuersbrunst und Trost

In der zehnten Strophe (Reflexion) schildert Schiller eindrucksvoll, wie alles, was von Menschenhand geschaffen wurde, durch ein Feuer vernichtet wird.

Die Folgen der Katastrophe sind aber überschaubar, weil alle das Feuer überlebt haben.

„Was Feuers Wuth ihm auch geraubt,
Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
Er zählt die Häupter seiner Lieben
Und sieh! ihm fehlt kein theures Haupt“.

 

11. Strophe: Banges Warten

In der elften Strophe (Arbeit) warten die Gesellen und der Meister gespannt, ob der Glockenguss gelungen ist .

„Glücklich ist die Form gefüllt,
Wird’s auch schön zu Tage kommen,
Daß es Fleiß und Kunst vergilt?

Wenn der Guß mißlang?
Wenn die Form zersprang?“

 

12. Strophe: Tod der Gattin und Mutter

In der zwölften Strophe (Reflexion) verkündet die Glocke den Tod der Ehegattin und Mutter.

„Schwer und bang
Tönt die Glocke
Grabgesang.
[…] Ach! die Gattin ist’s, die theure,
Ach! es ist die treue Mutter.“

 

13. Strophe: Die Arbeit ruht

In der dreizehnten Strophe (Arbeit) genießen die Gesellen nach getaner Arbeit den Feierabend, während der Glockenguss abkühlt

„Bis die Glocke sich verkühlet
Laßt die strenge Arbeit ruhn,

„Wie im Laub der Vogel spielet
Mag sich jeder gütlich thun.“

 

14. Strophe: Lobgesang auf das bürgerliche Leben

In der vierzehnten Strophe (Reflexion) wird das Ideal einer bürgerlichen Gesellschaft geschildert.

Tiere und Bauern kehren mit schwer beladenen Wagen voller Getreide zurück in die sichere Stadt.  

„Schwer herein
Schwankt der Wagen,
Kornbeladen“

Die Arbeit ist des Bürgers Zier und Ehre:

„Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis,
Ehrt den König, seine Würde,
Ehret uns der Hände Fleiß.“

Dies ist nur möglich, weil die Stadtmauern, deren Tore nachts verschlossen sind, Sicherheit bieten.

„Denn das Auge des Gesetzes wacht.
Heil’ge Ordnung,“

 

15. Strophe: Der lehmgebrannte Mantel wird entfernt

In der fünfzehnten Strophe (Arbeit) wird der lehmgebrannte Mantel mit wuchtigen Hammerschlägen entfernt.

Hier gerät die Schilderung eines Arbeitsschrittes zur Reflexion.

„Wenn die Glock’ soll auferstehen
Muß die Form in Stücken gehen.“

 

16. Strophe: Revolution bringt nur Chaos

Im Kontrast zur vierzehnten Strophe (Ideal der bürgerlichen Gesellschaft) werden hier die Schrecken der Revolution geschildert, in der alle Ordnung verloren gegangen ist.  

„Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
Da kann sich kein Gebild gestalten,
Wenn sich die Völker selbst befreyn,
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.“

Schiller vergleicht hier die Revolution mit dem glühenden Eisen, das sich selbst aus der Glockenform befreit.

„Der Meister kann die Form zerbrechen
Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,
Doch wehe, wenn in Flammenbächen
Das glühnde Erz sich selbst befreyt!“

 

17. Strophe: Die Glocke ist gelungen

In der siebzehnten Strophe (Arbeit) kommt zur Freude aller eine vollendete Glocke zum Vorschein.

„Freude hat mir Gott gegeben!
Sehet! wie ein goldner Stern
Aus der Hülse, blank und eben,
Schält sich der metallne Kern.“

 

18. Strophe: Taufe der Glocke Concordia

In der achtzehnten und vorletzten Strophe (Reflexion) findet die Taufe der Glocke statt.

Sie wird auf den Namen Concordia getauft.

„Herein! herein!
Gesellen alle, schließt den Reihen
Daß wir die Glocke taufend weihen,
Concordia soll ihr Name seyn“

Der Name concordia (lateinisch) ist nicht zufällig gewählt.  

Darunter versteht man den Zustand des herzverbundenen Zusammenlebens; Eintracht, Einvernehmen, Einklang.

 

19. Strophe: Hochziehen/Aufrichten der Glocke

Zum Abschluss des Gedichts in der neunzehnte Strophe wird die Glocke in den Glockenturm hochgezogen.

„Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt.
Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sey ihr erst Geläute.“

Ihr erstes Geläut dient dem Frieden.

Was nach über 200 Jahren noch nichts an Aktualität eingebüßt hat .

Historischer Hintergrund/Interpretation


“Das Lied von der Glocke” ist einer der bekanntesten Gedichte von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1799, an dem er jahrelang gearbeitet hat.

Angeregt zu dieser Ballade wurde er durch frühere Besuche in der Glockengießerei von Johann Mayer in Rudolstadt.

Die Ballade der Weimarer Klassik fand sofort bei Veröffentlichung eine sehr positive Resonanz. 

Es ist hier auch ein Wandel vom idealistischen Schiller zu sehen, der enttäuscht von der Eskalationen der französischen Revolution sich von dieser abwendet.

Stattdessen stellt er jetzt die Notwendigkeit eines starken Staates als Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft in den Vordergrund. 

Dieser Staat fußt auf den sittlichen Vorstellungen eines bürgerlichen Lebenstils. 

 

Der Meister der Glockengießerei symbolisiert in der Balladen den starken Staat (reaktionäre Sichtweise).

Besonders deutlich wird dies in den folgenden Zeilen:

“Der Meister kann die Form zerbrechen

Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,

Doch wehe, wenn in Flammenbächen

Das glühende Erz sich selbst befreit!  

 …. 

Wo rohe Kräfte sinnlos walten, 

Da kann sich kein Gebild gestalten,

Wenn sich die Völker selbst befrein,

Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn”

 

Literarische Betrachtung


Strophen:

Das Gedicht “Das Lied von der Glocke” besteht aus insgesamt 19 Strophen.

Die 10 Meister- oder Arbeitsstrophen umfassen jeweils genau 8 Verse und bestehen aus vierfüßigen Trochäen, jeweils vier Verse mit gekreuzten, vier mit parallelen Reimen.

Davon betreffen fünf Strophen die Vorarbeiten bis zum Beginn des Gusses und fünf Strophen die Tätigkeit nach erfolgtem Guss.

Die 9 Reflexions- oder Betrachtungsstrophen hingegen sind unterschiedlich lang.

Sie bestehen aus unterschiedlichen Formen und haben Betrachtungen zum Leben und zur Gesellschaft zum Inhalt.

Die Arbeitsstrophen und die Betrachtungsstrophen jeweils bilden eine inhaltliche Einheit.

Verse:

Hinsichtlich des Aufbaus bestehen die Arbeitsstrophen bis auf die Anrede der Gesellen aus acht trochäischen Versen, die jeweils 3 1/2 oder 4 Füße lang sind. 

Während die ersten vier Verse als Kreuzreime sind, sind die übrigen Verse Paarreime. 

Die Reflexionsstrophen sind entweder jambische oder trochäische Verse, die teilweise durch Anapäst und Daktylus ersetzt werden. 

 

Bekannte Zitate


Nicht viele kennen die Ballade, aber einige Zitate aus dem Gedicht sind in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen: 

Hier eine Auswahl:

Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Ob sich das Herz zum Herzen findet!

Wehe, wenn sie losgelassen!

Das Unglück schreitet schnell.

Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten.

Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.

Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß.

Doch der Segen kommt von oben.

 

Zusammenfassung


Zusammenfassung

Der Schriftsteller Friedrich Schiller veröffentlichte 1799 die Ballade "Das Lied der Glocke".

Inhalt: das Glockengießen als Allegorie für das menschliche Leben. 

Strophen: 10 Arbeits- und 9 Reflexionsstrophen


Anhand der Herstellung der Glocke werden die gesellschaftliche Modelle eines starken Staates (Meister des Glockengießens) und die Französische Revolution (Chaos und Gewalt) gegenübergestellt. 

Schiller präferiert die Notwendigkeit eines starken Staates als Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft.

Dieser Staat fußt auf den sittlichen Vorstellungen eines bürgerlichen Lebenstils.