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Die Füße im Feuer • Ferdinand Meyer | Interpretation

Die Füße im Feuer • Ferdinand Meyer | Interpretation


Die Füße im Feuer - Ballade Meyer

Hier erhältst du einen Überblick über die Ballade: Die Füße im Feuer • Ferdinand Meyer | Interpretation

In dieser Ballade von F. Meyer geht es um den Verzicht von Rache, eingebettet in die Rahmenhandlung der Hugenottenverfolgung. 

Die Erstveröffentlichung von “Die Füße im Feuer” war im Jahre 1882.

Die Ballade: Die Füße im Feuer

Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross,
Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann …

 

– “Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!”
– “Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert′ s mich?
Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!”
Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,
Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild …
Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft …
Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.

 

Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
– “Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
Drei Jahre sind′ s … Auf einer Hugenottenjagd
Ein fein, halsstarrig Weib … ′Wo steckt der Junker? Sprich!′
Sie schweigt. ′ Bekenn!′ Sie schweigt. ′ Gib ihn heraus!′ Sie schweigt.
Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf …
Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
Tief mitten in die Glut … ′ Gib ihn heraus!′ … Sie schweigt …
Sie windet sich … Sahst du das Wappen nicht am Tor?
Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.”
Eintritt der Edelmann. “Du träumst! Zu Tische, Gast …”

 

Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an –
Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
Springt auf: “Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
Müd bin ich wie ein Hund!” Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr …
Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.

 

Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
Die Treppe kracht …. Dröhnt hier ein Tritt? … Schleicht dort ein Schritt? …
Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt
Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
Er träumt. “Gesteh!” Sie schweigt. “Gib ihn heraus!” Sie schweigt.
Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt …
– “Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!”
Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,
Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut,
Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.

Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel′ ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
Als kehrten Engel heim von einer nächt′ gen Wacht.
Die dunkeln Schollen atmen kräft′ gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: “Herr,
Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!” Der andre spricht:
“Du sagst′ s! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst! … Mein ist die Rache, redet Gott.”

 

Inhaltsangabe: Herbergssuche

Die Ballade “Die Füße im Feuer” von Conrad Ferdinand Meyer handelt von einem Kurier des Königs, der in ein Unwetter gerät und auf einer Burg Unterschlupf sucht.

Zu spät bemerkt er, dass er auf derselben Burg um Schutz angesucht hat, wo er vor drei Jahren die Frau des Besitzers grausam gefoltert und getötet hat.

In einer stürmischen Nacht klopft der Kurier am Burgtor und bittet im Namen des Königs um Herberge.

Diese wird ihm umgehend gewährt: 

 Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert’s mich?

Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!” 

 
Inhaltsangabe: Erinnerung an das Verbrechen

Als er in den Speisesaal tritt, wird ihm klar, dass er schon einmal hier war.

Er erkennt den Herd, den Saal, das Wappen und erste Bilder seiner damaligen Schandtat tauchen vor seinen Augen auf.

Voller Angst verriegelt er seine Schlafkammer ab, und hofft, dass die Hugenottenfamilie ihm dadurch nichts anhaben kann.

In der Nacht wird er von Alpträumen gequält, die Bilder von der Folterung und Tötung der Frau, die den Aufenthalt ihres Mannes nicht verraten wollte, rauben ihm den Schlaf.

“Er träumt: “Gesteh!” Sie schweigt. “Gib ihn heraus!” Sie schweigt.

Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.” 

 
Inhaltsangabe: Verzicht auf Rache

Der Junker betritt aber am nächsten Morgen das Schlafgemach des Junkers durch eine Geheimtür und verzichtet unter großen seelischen Qualen (die Haare sind ihm über Nacht ergraut) auf Rache.

Der Kurier ist erleichtert und missinterpretiert die Situation dahingehend, dass er glaubt, die Autorität des Königs habe ihm das Leben gerettet.

Stattdessen hat ihn nur der starke Glauben des Hugenotten gerettet, der ihm Selbstjustiz verbietet. 

                                                      
Historischer Hintergrund und Deutung

Am Thema der Hugenottenverfolgung schildert Conrad F. Meyer in “Die Füße im Feuer” eindrucksvoll das Zusammentreffen von Opfer (Ehemann der ermordeten Frau) und Täter (Kurier des Königs).

Und zwar drei Jahre nach der Ermordung der Ehefrau des Junkers durch den Kurier.

Unter der Hogenottenverfolgung versteht man die Verfolgung und Tötung von französischen Protestanten, durch den Katholizismus in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Der Kurier wird von seiner Vergangenheit eingeholt und muss in die Gesichter der Kinder schauen, deren Mutter er getötet hat.

Dagegen kämpft der Schlossherr um seine Selbstbeherrschung und um seinen Glauben, der ihm Rache verbietet. 

 

Wichtige Zitate der Ballade:

Dabei wird dem Kurier seine Schandtat bewusst, wenn er den Kindern gegenüber sitzt, deren Mutter er grausam getötet hat:

“Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht.

Und er. Doch keins der Kinder spricht ein Tischgebet.

Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an ..”  

 

Der Ehemann verzichtet darauf den Mörder seiner Frau zur Rechenschaft zu ziehen.

Er antwortet ihm verbittert mit einem Bibelzitat (Altes Testament, 5. Mose, Kap. 32, V. 35), das ein Verbot von Rachehandlungen und Selbstjustiz von den Gläubigen einfordert:

„Du sagst’s! Dem größten König eigen! Heute ward

Sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir

Mein Weib! Und lebst … Mein ist die Rache, redet Gott.“

 
Literarische Betrachtung:

Die Ballade “Die Füße im Feuer” besteht aus 10 Strophen, die unterschiedlich lang sind.

Weit auffälliger als die unterschiedliche Strophenlänge ist der parataktische Satzbau.

Durch die Aneinanderreihung von kurzen, knappen Aussagen ohne Konjunktionen wird eine eigene Dramaturgie (Stakkostil) erreicht: 

Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!”

Eine Rahmenhandlung zu “Die Füße im Feuer” bildet auch das Wetter.

Die Ballade beginnt mit einem Sturm (“Wild zuckt ein Blitz”) und endet mit einer idyllischen Wetterlage (“Kein Lüftchen regt sich heute”).

Damit kann der innere Seelenzustand des Junkers gemeint sein, der auf Rache verzichtet und damit seinen persönlichen Seelenfrieden wiedergefunden hat.

Ferdinand Meyer