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Rilke Das Karussell Interpretation

Gedicht: Rilke Das Karussell


Rilke - das Karussell
 

Rilke Das Karussell

Jardin du Luxembourg

 

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht

sich eine kleine Weile der Bestand

von bunten Pferden, alle aus dem Land,

das lange zögert, eh es untergeht.

Zwar manche sind an Wagen angespannt,

doch alle haben Mut in ihren Mienen;

ein böser roter Löwe geht mit ihnen

und dann und wann ein weißer Elefant.

 

Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,

nur dass er einen Sattel trägt und drüber

ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.

 

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge

und hält sich mit der kleinen heißen Hand

dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.

 

Und dann und wann ein weißer Elefant.

 

Und auf den Pferden kommen sie vorüber,

auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge

fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge

schauen sie auf, irgendwohin, herüber –.

 

Und dann und wann ein weißer Elefant.

 

Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,

und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.

Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,

ein kleines kaum begonnenes Profil –.

Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,

ein seliges, das blendet und verschwendet

an dieses atemlose blinde Spiel …

Rainer Maria Rilke, 1906

 

Historischer Hintergrund:


Rainer Maria Rilke schrieb das Gedicht “Das Karussell” (Neuen Gedichte, Erster Teil 1907) während seines Paris-Aufenthalts beim Bildhauer Auguste Rodin im Jahre 1906. 

Bei diesem Werk handelt es um eines seiner bekanntesten Dinggedichte indem das lyrische Ich das “ewige” Kreisen eines Kinderkarussells betrachtet.

 

Inhaltsangabe Rilke Das Karussell:


In den sieben Strophen des Gedichts Rilke Das Karussell geht es um ein Kinderkarussell mit Tierfiguren, das sich dreht, während ein Beobachter von außen sachlich schildert, was er sieht.

Dabei kommt es auch zu nonverbalen Interaktionen zwischen den vorbeifahrenden Kindern und dem außenstehenden Beobachter. 

 

Strophe 1 – 3:

In der ersten Strophe werden alle Bestandteile des Karussells vorgestellt. Das sind im Wesentlichen drei Tiergestalten: in der Mehrzahl Pferde, manche sind eingespannt, “doch alle haben Mut in ihren Mienen”, “dann und wann ein weißer Elefant” und “ein böser roter Löwe”.  

In der folgenden zweiten Strophe wird die Aufzählung der Tierfiguren noch um einen Hirsch ergänzt, auf dem “ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt” ist. 

Die dritte Strophe widmet sich einer genaueren Beschreibung des Löwen, der “Zähne zeigt und Zunge”. Auf ihm sitzt “weiß ein Junge.” 

 

Strophe 4 – 7:

Die vierte Strophe besteht aus einem einzigen Satz  und soll das Drehen des Karussells versinnbildlichen: “Und dann und wann ein weißer Elefant.”

In der fünften Strophe folgt die Beschreibung von Mädchen, dem Karussellalter schon fast entwachsen, die den Betrachter anschauen  “mitten in dem Schwunge schauen sei auf, irgendwohin, herüber -. 

Die sechste Strophe besteht wiederum aus einem einzigen Satz: “Und dann und wann ein weißer Elefant.”

Die siebte Strophe widmet sich den Farben “Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,” und eine erneute Interaktion von den Kindern auf dem Karussell mit dem Außenbeobachter “Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet”.  

Die drei Punkte am Ende des Gedichts stehen für die zu erwartende Fortsetzung dieser Drehbewegung.

 

 Analyse der Struktur:


a) Strophen und Verse:

Das Gedicht “Rilke Das Karussell” ist ein Dinggedicht mit 27 Verszeilen, die sich auf sieben Strophen aufteilen, und zwar in folgender Versanzahl: 8 – 3 – 3 – 1 – 4 – 1 – 7.

Die neun Sätze mit 186 Wörtern sind der Stilrichtung des Symbolismus zuzuordnen. 

 

b) Metrum:

Das vom Autor gewählte Metrum ist ein Jambus mit jeweils fünf Hebungen. 

Hebung: X   Senkung: x

z.B. So-gar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald

       x     X     x     X     x     X   x   X    x     X

 

c) Kadenzen:

Während Rilke zu Beginn des Gedichts vor allem männliche Kadenzen (10 Silben) mit betonten Endsilben verwendet, wechselt er zum Schluss fast ausschließlich auf weibliche Kadenzen (11 Silben) mit unbetonten Endsilben. 

 

d) Reimschema:

Hinsichtlich des Reimschemas werden hauptsächlich umarmende Reime und Kreuzreime verwendet, die ineinander übergehen (“abbabccb” – “ded” – “fbf” – “b” – “effe” – “b” – “ghghggh”).

1. Strophe: “abbabccb” 

→ dreht – Bestand – Land – untergeht – angespannt – Mienen – ihnen – Elefant

2. Strophe: “ded” → Wald – drüber – aufgeschnallt

3. Strophe: “fbf” → Junge – Hand – Zunge

4. Strophe: “b” → Elefant

5. Strophe: “effe → vorüber – Pferdesprunge – Schwunge – herüber

6. Strophe: “b” → Elefant 

7. Strophe: “ghghggh” → endet – Ziel – vorbeigesendet – Profil – hergewendet – verschwendet – Spiel

 

e) Reimanordnung:

Hinsichtlich der Reimanordnung dominiert bei Rilke Das Karussell der Endreim: 

dreht/untergeht, Bestand/Land/angespannt/Elefant, Mienen/ihnen, Wald/aufgeschnallt,

drüber/vorüber/herüber, Junge/Zunge, Pferdesprunge/Schwunge,

endet/vorbeigesendet/hergewendet/verschwendet

Binnenreime finden sich in der zweiten Verszeile z.B. “eine kleine Weile”, “dann und “wann” (Vers 8, 15, 20)

 

Rhetorische Stilmittel:


a) Metapher:

Hinsichtlich des verwendeten rhetorischen Stilmittels ist vor allem die Metapher hervorzuheben. 

Vor allem das Leuchten des Torsos wird so dargestellt. 

Vers 2 – 3: Kindheit = “alle aus dem Land, das lange zögert, eh es untergeht” 

Vers 27: Karussell = “dieses atemlose blinde Spiel”

 

b) Anapher:

“und” wird im Vers 3 als Anapher verwendet:

und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel”

 

c) Repetition:

Das Wort “und” wird insgesamt 14-mal verwendet z.B. Vers 12 und 13

 

d) Alliteration: 

In diesem Gedicht gibt es auch viele Alliterationen z.B. Vers 14: 

“dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge”.

 

e) Enjambement:

Zudem finden sich auch Enjambements (Zeilensprünge) z.B. zweite Strophe Vers 10 – 11 

“nur dass er einen Sattel trägt und drüber

ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt”

 

Interpretation Rilke Das Karussell:


In seiner Gesamtheit betrachtet handelt es sich bei “Das Karussell” um ein Dinggedicht. 

Dieses beschreibt einerseits die vorbeiziehenden Tierfiguren und Kinder und stellt andererseits vereinzelte Blickkontakte zwischen den Kindern und dem Außenbetrachter her.

Hinsichtlich der Interpretationen gibt es vor allem zwei Ansätze: Ein Interpretationsansatz sieht “Das Karussell”  als Symbol der Kindheit, ein anderer das Karussell als Metapher für jedes selbstvergessene “blinde” Spiel. 

 

Rilke Das Karussell

 

Obwohl Blickkontakt zwischen den Kindern auf dem Karussell und dem Beobachter besteht, erscheint die Distanz unüberbrückbar (sie ist temporal und nicht nur lokal), was auf die erste Interpretationshypothese hinweist, dass in dem Karussell ein Symbol für die Kindheit sieht. 

Ein wesentlicher Aspekt ist die Zunahme der Drehgeschwindigkeit, die sich schlussendlich in der Auflösung der wahrgenommenen Eindrücke in Farben zu Lasten von wahrgenommenen Details widerspiegelt: “Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,” (Vers 23).

Zudem erscheint der weiße Elefant, das Symbol des sich drehenden Karussells zum Schluss hin in immer kürzeren Abständen (Vers 8, 15, 20).

Diese Betrachtung der (eigenen) Kindheit wird aber mit negativ aufgeladenen Begriffen beschrieben “blendet”, “verschwendet” “blinde Spiel”. Auch die Verszeilen “alle aus dem Land, das lange zögert, eh es untergeht” kann als eine Metapher für die Kindheit interpretiert werden.

Diese negative Interpretationsebene und der eingegrenzte Raum des Geschehens schaffen zudem zumindest eine gefühlte Nähe zu Rilkes Panther.

 

PDF-Übungsblätter zum Ausdrucken:


Rilke Karussell Quiz Übungsblatt

Rilke Karussell Fragen Übungsblatt

Rilke Karussell literarische Analyse Übungsblatt